Erstaunlich schnell beginnt sich in der Ruinenlandschaft – die einmal Berlin war – wieder ein improvisiertes städtisches Leben zu regen. Nach Kriegsende muss zuerst die städtische Infrastruktur wieder in Gang gesetzt werden. Wegen der Seuchengefahr, die vom gefluteten Nord-Süd-Tunnel ausgeht, in dem man anfangs Tausende von Toten vermutet, wird auf Anweisung des sowjetischen Stadtkommandanten noch im Mai 1945 mit den Instandsetzungsarbeiten begonnen. Nachdem die Schadensstellen abgedichtet sind, pumpt man fast 1,9 Millionen Kubikmeter Wasser aus den Berliner Verkehrstunneln. Im September 1945 kann der S-Bahnschacht mit Schlauchbooten inspiziert werden. Man findet 93 Tote und 102 S-Bahn-Wagen in den Schlammmassen. Es vergehen aber noch weitere 10 Monate, bis der S-Bahn-Tunnel soweit gereinigt und hergestellt ist, dass in den unterirdischen Stationen des Nord-Süd-Tunnels wieder Züge halten können.
Die Beseitigung der auf 60–70 Millionen Kubikmeter geschätzten Trümmermenge ist ein weiteres Problem. Die Menge entspricht einem 30 Meter breiten und neun bis zehn Meter hohen Damm zwischen Berlin und Hamburg. Die Schuttmassen werden an vielen Stellen in der Stadt zu Trümmerbergen aufgeschüttet. Eine Bestandsaufnahme der Schäden ergibt: Von Berlins oberirdischer Bebauung sind rund 30 Prozent völlig zerstört, von seinen unterirdischen Bauten dagegen nur knapp 5 Prozent. Die Innenstadt ist allerdings mit teilweise mehr als 80 Prozent an Totalzerstörungen der Vorkriegsbebauung besonders schlimm betroffen.
In der Folge der Berlin-Blockade wird nach und nach die städtische Infrastruktur Berlins zerschnitten. Von der Kanalisation und den Verkehrstunneln einmal abgesehen, sind bis 1952 alle Leitungen zwischen den beiden Stadthälften gekappt. Bereits im Februar unterbricht man von Ost-Berlin aus die Rohrpost, damit »keine subversiven Nachrichten aus dem Westteil den demokratischen Sektor Berlins« erreichen, wie man im Ostsektor verlauten lässt. Nur wenig später werden die Telefonleitungen zerschnitten sowie die Abtrennung der Gas-, Strom- und Wasserversorgung vollzogen.
Bald wird der Untergrund sogar direkter Schauplatz des Kalten Krieges. Die Sowjets entdecken im April 1956 einen rund 450 Meter langen Spionagetunnel des britischen und amerikanischen Geheimdienstes im Süden Berlins, der zum Anzapfen und Abhören sowjetischer und Ost-Berliner Telefonleitungen dient und als »Operation Gold« bekannt wird. Die Ost-Berliner Presse nimmt daher nur knapp ein Jahr später den Versuch von drei West-Berliner Jugendlichen, über den alten Heizungstunnel der Reichstagsruine in den Ost-Sektor zu gelangen, zum Anlass, diese Aktion wiederum den »USA-Wühlmäusen« in die Schuhe zu schieben.
In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 wird mit dem Bau der Mauer schließlich auch das unterirdische Verkehrsnetz gespalten. Die Bahnhöfe der von West nach West querenden U-Bahn-Linien sowie die Stationen des S-Bahn-Tunnels unter dem sowjetischen Sektor werden kurzfristig abgeriegelt. Auch die U-Bahnstation Potsdamer Platz (heute auf der U-Bahnlinie 2) ist davon betroffen. Mitarbeiter der BVG-West und BVG-Ost sitzen gegen 23.00 Uhr noch gemeinsam beim Kaffee in den Betriebsräumen. Da besetzen plötzlich bewaffnete Volkspolizisten den U-Bahnhof und schicken die West-Berliner nach Hause. Nur wenige Wochen später ist der Tunnel in Richtung Westen gänzlich zugemauert.
Der Abschottung der Kloaken folgen die Fluchttunnel. Mehr als 70 dieser Projekte sind bekannt, die in der Mehrzahl jedoch – meist durch Verrat – scheitern. Immer bessere Überwachungstechniken, darunter Horchgeräte zum Orten von Grabungsgeräuschen, machen die Tunnelgrabungen zu lebensgefährlichen Unternehmungen. Anfang 1972 gelingt drei jungen Ost-Berlinern die letzte bekannt gewordene Tunnelflucht. Zwölf Nächte lang graben sie sich vom Keller eines alten Bewag-Gebäudes an der Leipziger Straße unter der als Todesstreifen hergerichteten Zimmerstraße hindurch nach Kreuzberg. Beim ersten Durchstich kommen sie mitten in den Sperranlagen heraus; der Tunnel ist zwei Meter zu kurz geraten. Das »Unternehmen Maulwurf« bleibt jedoch noch unentdeckt, die Flüchtlinge graben weiter und erreichen mit viel Glück West-Berlin. Nur wenig später entdeckt eine Grenzstreife bei einer Routinekontrolle der Kelleranlagen den Einstieg.
Nach dem 13. August 1961 halten in vielen innerstädtischen Untergrundbahnhöfen keine Züge mehr. Die Ausgänge werden systematisch vergittert oder zugemauert. Nur Streifenposten der Grenztruppen und der Transportpolizei sind in diesem gespenstischen Niemandsland noch unterwegs. Alle unter Ost-Berlin gelegenen Bahnhöfe des Nord-Süd-Tunnels sowie die Stationen der heutigen U-Bahnlinien 6 und 8 sind geschlossen. Die West-Berliner müssen ohne Stopp unter dem Ostteil der Stadt hindurchfahren. Einzig im hermetisch abgeriegelten U- und S-Bahnhof Friedrichstraße, nun ein Grenzübergang, ist das Aus- und Umsteigen möglich. Ein weißer an die Wand gemalter Streifen markiert in den Tunneln den unterirdischen Grenzverlauf.
Die Transitlinien und ihre »Geisterbahnhöfe« sind eine absurde Besonderheit unter der geteilten Stadt. Für die Nutzung zahlt West-Berlin eine jährliche Gebühr von mehreren Millionen DM. Die gesperrten Stationen dürfen nur in Schrittgeschwindigkeit durchfahren werden, bewacht von Grenzsoldaten oder Transportpolizisten. Zwar ist ihnen – seinerzeit ein streng gehütetes Geheimnis – der Schusswaffengebrauch in den Tunnelanlagen wegen befürchteter Querschläger nur in Notwehrsituationen gestattet, ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem soll jedoch auch hier jeden Fluchtversuch vereiteln.
1967 entdeckt man auf West-Berliner Gebiet drei vergessene Tunnelanlagen der Germaniaplanungen unter dem sowjetischen Ehrenmal an der Straße des 17. Juni. Gerüchte über mögliche unterirdische Verbindungen in den Ostteil der Stadt schrecken das Ministerium für Staatssicherheit auf. Da es anscheinend keine alten Aufzeichnungen über die Enttrümmerungsarbeiten gibt, wird in der Folge eine geheime und umfangreiche Untersuchung in Auftrag gegeben. Ziel ist es, »Untertägige Anlagen« – kurz »UTA« genannt – zu ermitteln, die »für Provokationen und Angriffe auf die Staatsgrenze der Hauptstadt der DDR ausgenutzt werden können«.
In den folgenden Jahren werden insgesamt 16 verschüttete Bunkeranlagen wieder freigelegt und dokumentiert, darunter die Bunkeranlagen der Neuen Reichskanzlei. Auch der »Führerbunker« wird wieder geöffnet und nach Abpumpen des eingedrungenen Sickerwassers akribisch vermessen und fotografiert. Im Schlamm finden sich sogar noch alte Dokumente, darunter Reste der Goebbels-Tagebücher. Der Fund verschwindet wenig später in den dunklen Kanälen der Staatssicherheit. Freigelegt werden auch der »Adlon-Bunker« sowie die Bunkeranlagen verschiedener Ministerien des Dritten Reiches, allerdings ohne besondere Überraschungen. 1975 kommen die Untersuchungen der Staatssicherheit zu einem vorläufigen Abschluss: Geheime Verbindungen in den Westteil Berlins können nicht nachgewiesen werden.
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